Neue Stoffe vorwaschen

Über diese Frage können ambitionierte Näherinnen vermutlich stundenlang diskutieren: Sollte man die neu gekauften Stöffchen vor dem Zuschneiden waschen oder kann man sich das nicht einfach sparen und sofort mit dem nähen loslegen?

 

Ich muss zugeben, ich habe jahrelang zu den Nicht-Vorwascherinnen gehört, schon alleine weil ich es in meiner Ausbildung nicht anders kennen gelernt habe, denn in Schneidereien dürfen Stoffe warum auch immer nicht vorgewaschen werden. Um ein späteres Einlaufen zu verhindern, werden hier die Stoffe heiß abgebügelt, was schon mal etwas hilft.

 

Seit einigen Jahren bin ich aber eine strikte Vorwascherin, nachdem ich mir einen tollen Pulli genäht hatte, der nach dem Waschen ganze 20cm kürzer war.

Warum sollte ich die Stoffe immer vorwaschen?

Fürs Vorwaschen gibt es zwei Hauptgründe:

1. Stoffe laufen beim Waschen fast immer ein. Dabei laufen verschiedene Stoffe auch unterschiedlich stark ein, so kann es nicht nur passieren, dass das Teil im ganzen zu klein ist, sondern auch das Reißverschlüsse nach dem Waschen Wellen schlagen weil der Stoff sich zusammen gezogen hat und der RV natürlich nicht, oder wenn man verschiedene Stoffe kombiniert hat, dass das ganze Teil verzogen ist.

2. Neu gekaufte Stoffe kommen so wie sie sind aus der Fabrik und enthalten noch allerhand Chemie, die man beim Nähen nicht an den Händen haben möchte.

Laufen alle Stoffe ein?

Wie viel ein Stoff beim Waschen einläuft ist abhängig von der Stofffaser (z.B. Baumwolle, Wolle, Viskose, Polyester) und von eventuellen Beschichtungen (zum Beispiel bei Softshell oder anderen Outdoorstoffen).

Naturfasern wie Baumwolle, Leinen oder Wolle laufen stärker ein, Kunstfasern wie Polyester nur wenig bis kaum, Mischfasern (zum Beispiel Baumwolle-Polyester-Gemisch) laufen mittelstark ein.

Mit etwas Glück erfahrt ihr schon beim Stoffeinkauf wie viel der Stoff einlaufen wird. Wenn es nicht mit dabei steht, dann hier meine Erfahrung als Vorwascherin und Stoffverkäuferin:

Jersey/Sweat/Bündchen aus hauptsächlich Baumwolle: rund 10% Einlauf

Leinen/gewebte Baumwolle: rund 10%

Musselin: bis zu 20% (Achtung: in beide Richtungen!)

Canvas/Jeans und Twill: rund 5%

Viskosestoffe: rund 5%

Polyester: rund 3%

Softshell: kaum Einlauf

Wolle: rund 10% 

(*Alle Angaben ohne Gewähr! Die individuellen Einlauffaktoren erfahrt ihr bei eurem Stoffhändler*)

 

Aber Achtung: bei allen Stoffen, und besonders bei Wolle, Softshell und anderen Outdoorstoffen gilt bezüglich des Einlaufs zu beachten:

Wie wasche ich richtig vor?

Diese Frage ist sehr wichtig, denn die Prozentangaben beim Einlauf stimmen nur, wenn der Stoff auch richtig gewaschen wird: Sprich, wenn ich alles bei 95°C wasche, dann wird JEDER Stoff deutlich mehr einlaufen (oder zerfallen ;) ), wenn ihr alle Stoffe nur durch handwarmes Wasser zieht, dann werden sie vermutlich garnicht einlaufen.

 

Aber was ist denn nun richtig?

 

Hier gebe ich den Kunden im Laden immer den Tipp mit:

Waschen Sie den Stoff so vor, wie Sie auch später das Kleidungsstück/die Tasche/etc. waschen werden!

 

  • Ein Wollmantel oder eine Seidenbluse wird wohl entweder in die Reinigung gegeben oder von Hand gewaschen, deshalb würde ich den Stoff auch nur von Hand waschen und danach die Wolle liegend trockenen lassen.
  • Wenn ich Babybekleidung/Spuktücher/Lätzchen/Unterwäsche etc. nähe, also alles was starke Flecken abbekommt oder auch mal diverse Körperflüssigkeiten, kommt der Stoff bei 60°C zum Vorwaschen in die Wäsche. Aber denkt dran, dass der Stoff dann auch stärker einläuft und ihr mehr kaufen müsst.
  • Bei Stoffwindel-Einlagen, Binden oder ähnlichem was auch tatsächlich mal bei 95°C ausgekocht wird, sollte auch so heiß vorgewaschen werden, vor allem, wenn verschiedene Materialen (Baumwollstoff und Frottee zum Beispiel) beim Nähen miteinander kombiniert werden.
  • Bei normalen Shirts und Hosen, wählt man das normale Waschprogramm bei 30° oder 40°, das normale Waschmittel und -falls man ihn zum Kleidertrocknen nutzt- kommt der Stoff auch danach in den Trockner, denn hier läuft er auch nochmal gerne ein.
  • Softshelljacken oder andere Funktionsstoffe sind oft richtige Diven beim Waschen, kaum Temperatur, wenig schleudern, eventuell spezielles Waschmittel. Das selbe gilt natürlich auch für die Stoffe.

Aber das ist doch Zeit- und Energieverschwendung!

Ein Argument das ganz oft von "Vorwasch-Gegnern" kommt: man kann nicht direkt mit dem Nähen loslegen und es ist Wasser- und Stromverschwendung jeden Stoff vorzuwaschen.

Mit dem zweiten Punkt hätte man recht, wenn man die Waschmaschine tatsächlich nur für einen Meter Stoff anschmeißt.

Ich wasche den Stoff aber einfach immer mit der normalen Wäsche mit, sortiert nach hell und dunkel und Temperatur, so wie ich auch die Kleidung vor dem Waschen sortiere. Normale bedruckte Kinderjerseys färben relativ wenig ab, weil es meistens ein weißer Grundstoff mit einem bunten Druck ist. Unifarbene Stoffe (vor allem dunkle und kräftige Farben) neigen eher zum ausbluten.

Zur Sicherheit packe ich immer ein Farbfänger-Tuch mit in die Wäsche (die gibts auch zum wiederverwenden aus Mikrofaser). Ich weiß, dass viele Leute die Dinger für Humbug halten, aber bei mir helfen sie immer. Trotzdem sollte man die weißen Herrenhemden lieber nicht mit dem neuen schwarzen Jeansstoff waschen, das geht auch mit Tuch in die Hose ;) .

Wenn man auf diese Weise wäscht, hat man keinen höheren Energieverbrauch, denn die Waschmaschine muss ja eh zum Kleider waschen angemacht werden.

 

Bleibt aber noch das erste Argument: Man kann nicht direkt loslegen: Jaaaaa, das kann ich verstehen, gerade wenn man vielleicht unerwartet einen freien Tag hat will man natürlich direkt loslegen und jede Minute nutzen. Geht mir auch nicht anders. Ich habe es mir deshalb zur Regel gemacht, direkt nach dem Stoffeinkauf alle Stoffe, egal ob ich sie auf Vorraut oder für ein aktuelles Projekt gekauft habe, sofort in den Wäschekorb zu packen und erst wenn sie gewaschen sind, kommen sie in die Stoffkisten. So weiß ich, dass ich alles aus meinen Kisten direkt vernähen kann, und erspare mir viel Frust.

Muss ich denn dann mehr Stoff kaufen?

Vermutlich: Ja!

Da Schnittmusterersteller nicht wissen welchen Stoff ihr am Ende genau für euer Projekt nehmt, sind in den Materialangaben normalerweise noch keine "Einlauf-Berücksichtigungen" enthalten, auch wenn viele Materialangaben eher großzügig gehalten sind.

Auch im Stoffladen bekommt ihr normalerweise die Einlaufdifferenz nicht dazu geschenkt. Wenn ihr sagt ihr möchtet einen Meter, dann wird man euch einen Meter zuschneiden, je nach Geschäft mit mehr oder weniger "Sicherheitszugabe" (falls der Stoff an einer Stelle etwas schief ist). Seid ihr in einem guten Geschäft werdet ihr auf das Einlaufen hingewiesen und gefragt ob ihr nicht doch mehr benötigt. Bitte fasst das nicht als "Geldmache" des Ladens auf, sondern als netten Hinweis, damit ihr nicht am Ende zuhause beim Zuschnitt seid und merkt das ein paar cm fehlen.

 

Um zu wissen wie viel Stoff man mehr braucht, muss man nochmal seine Mathekenntnisse auspacken ;) Möchte ich zum Beispiel Bettwäsche aus Musselin nähen und der Musselin läuft 20% ein, bedeutet das, dass ich pro Meter gekauften Stoff, nach dem Waschen einen "Verlust" von ganzen 20cm habe. Wenn ich für Bettwäsche 4m am Ende (also gewaschen und bereit zum nähen) brauche, heißt das also, ich muss 4,8m kaufen, damit am Ende genug übrig bleibt.

Also einfach ab in die Waschmaschine mit den stoffen?

Normalerweise ja, Jerseys und Sweat, was man so am häufigsten nutzt, kann so in die Waschmaschine wie man ihn gekauft hat. Gewebte Stoffe die stark fransen (zum Beispiel aus Baumwolle, Viskose oder Leinen) würde ich an den Schnittkanten versäubern bevor der Stoff in die Maschine kommt, sonst habt ihr am Ende ein riesiges Fransenknäul. Wenn ihr nur eine kleine Menge eines feinen Stoffe gekauft habt, dann packt den Stoff zum Schutz in ein Wäschesäckchen.

Gibt es auch Stoffe die ich nicht vorwaschen sollte?

Ja: Bitte auf keinen Fall Bügeleinlagen oder Watteeinlagen vorwaschen ;)

Wie haltet ihr es denn mit dem Vorwaschen?

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Kommentare: 17
  • #1

    Madeleine (Freitag, 27 September 2019 14:42)

    Ich wasche auch alle meine Stoffe, bevor ich diese erarbeite. So ärgere ich mich hinterher nicht und der große Vorteil ist, dass das Kleidungsstück sofort tragbar ist.

  • #2

    Christiane (Samstag, 28 September 2019 10:52)

    Ich habe schon immer alles virgrwaschen und bin damit immer gut gefahren. Das mich irritiert sind Menschen die ihre Stoffe billig bei Ted*x kaufen und behaupten ihnen wäre noch nie was eingelaufen.

  • #3

    Hella (Montag, 07 Oktober 2019 08:16)

    Hi! Ich halte es genauso, wie du mit dem Verwaschen (und dem auf-Halde-legen�) was ich schon mehrfach gehört habe (selbst jedoch nicht mache�) ist,dass man Naturfasern (vor allem also Leinen und Baumwolle) vor der ersten Wäsche 24h in kaltes Wasser legen soll (auch fertig gekaufte Kleidung) weil sie dann angeblich nicht einläuft. Meine Mama macht das seit einiger Zeit mit Pullovern und ist zufrieden mit dem Ergebnis. Mit neuen Stoffen habe ich es allerdings noch nicht probiert.

    LG

  • #4

    Isabell (Mittwoch, 01 Januar 2020 13:22)

    Hallo, bin zufällig hier gelandet und der Beitrag ist klasse!
    Ich nahe erst a 1.5 Jahre als Hobby und Wasche alle Stoffe seit Beginn vor. Direkt nach dem Kauf. Bin damit bisher gut gefahren :)

  • #5

    cathrin (Mittwoch, 09 September 2020 22:34)

    Zur Mathematik: Wenn ich es richtig verstehe, dann braucht es 5 mtr. 'Einkauf', damit bei 20% Schwund am Ende 4 mtr. zum Nähen bleiben, oder? Von den 4,8 mtr. aus dem Beispiel blieben nur 3,84 übrig, zieht man 20% ab.

  • #6

    Beatrice Lampe (Montag, 02 November 2020 00:41)

    Hallo Cathrin, na, 20% "Schwund" wären schon echt schlimm- es sind meistens eher 5%, also aus 5,00m werden 4,75m. Meist ist es aber noch deutlich weniger.

  • #7

    Nicola (Dienstag, 24 November 2020 09:38)

    Hallo :)
    Danke für den Beitrag. Ich bin Anfängerin und habe die Stoffe aus Reflex vorgewaschen, weil ich an die Chemie im Stoff dachte und es ja mit gekaufter Kleidung auch so mache, dass die vor dem Tragen erst einmal wasche. Allerdings - und da wünschte ich, hätte ich deinen Beitrag vorher gelesen - sind die Baumwollstoffe ein wenig ausgefranst. Mist. Aber gut, daraus lerne ich ja jetzt und werde es ab jetzt so machen, wie du schreibst, dass ich diese Stoffe vorher einmal "versäubere". Nur noch eine Frage dazu: Reicht es, wenn ich einmal am Rand des Stoffes entlang nähe? Mit einem einfachen geraden Stich? Oder was empfiehlst du da?
    Vielen Dank und lieben Gruß :Ö)

  • #8

    Svenja (Dienstag, 24 November 2020 09:44)

    Hallo Nicola,
    ne es sollte schon eine einfassende Naht sein, also entweder mit der Overlock oder mit einem Zickzackstich. LG Svenja

  • #9

    Heike (Dienstag, 19 Januar 2021 14:11)

    Hey, ich habe Stoff vorgewaschen. Warum sind anschließend so dolle Kniffe drin, die beim Bügeln nicht wieder raus gehen ?

  • #10

    Svenja (Dienstag, 19 Januar 2021 14:21)

    @Heike
    Das passiert hauptsächlich bei dickeren Baumwollstoffen wie Canvas oder Jeans. Vermutlich war die Waschmaschine zu voll. Wenn man viel Stoff vorwäscht, der zu solchem Abrieb neigt, dann sollte man den Stoff vor dem Waschen teilen, mit viel Wasser (falls man das an deiner Maschine einstellen kann) und niedriger Schleuderzahl waschen.

  • #11

    Heike (Dienstag, 19 Januar 2021 14:30)

    Hey Svenja,
    Danke für die Antwort. Leider trifft das alles nicht zu. Muss ich wohl so hinnehmen. Ich dachte nur, ich hätte einen Tipp für's nächste Mal bekommen. LG :-)

  • #12

    Mieps (Sonntag, 24 Januar 2021 10:30)

    danke für die tolle erklärung! ich bin absolute anfängerin und hab einiges zu lernen... aber vorwaschen tue ich auf jedenfall alle stoffe, schon alleine weil ich die stoffe in kartons packen werde - fellmäuse von der border collie hündin bleiben nicht aus, auch wenn man regelmässig saugt und tut und macht... in den kartons sind die stoffe trotzdem "fellgeschützt"
    ich habe immer einige meter an stoff am stück, das verlangt meinem wäscheständer alles ab XD aber zur not hol ich mir irgendwann einen neuen oder baue mir einen aus holz mit wäscheleine selbst... da kann ich dann auch die leine nochmal nachziehen...

  • #13

    Sybille (Donnerstag, 04 Februar 2021 07:48)

    Danke für die tolle Zusammenfassung. Ich habe auch erst nach einigen Fehlversuchen angefangen meine Stoffe vorzuwaschen und vor allem für Kinderkleidung den Jersey auch zu trocknen. Dann weiß ich zumindest hinterher, dass ich die Kleider auch in den Trockner geben kann.

  • #14

    Belinda (Samstag, 13 Februar 2021 12:23)

    Hallo,
    danke für die Beiträge. Ich wasche grundsätzlich alle Stoffe vor. Meistens sind das Jersey- oder dünnere Webstoffe. Nun habe ich mir aber einen Mantelstoff für eine Jacke gekauft. Der Stoff besteht aus 70 % Polyester und 30% Wolle. Ich habe einen kleinen Stoffflicken vorher ausgemessen und für Stunden ins handwarme Wasser gelegt. Er hat sich in seiner Form nicht verändert. Sollte ich den Stoff trotzdem vor der Verarbeitung waschen? Ich bin gespannt auf die Antworten. Viele Grüße

  • #15

    Sabine (Samstag, 06 März 2021 03:47)

    Danke für diesen Beitrag!! Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Nun werde ich meine neuen Schätze erst einmal vorwaschen, denn ich möchte mich nachher nicht ärgern.

  • #16

    Wilma (Freitag, 17 Dezember 2021 18:11)

    Hallo, ich finde die Beiträge sehr interessan. Ich wasche meine Stoffe auch immer vor. Mich würde interessieren, wenn ich den Stoff vorher bei 30° wasche und das fertig genähte Teil später mit 40° oder 60° wasche, läuft er dann auch nochmal ein oder nicht?

  • #17

    christian (Montag, 09 Mai 2022 15:16)

    1. Nähe immer im Stehgreif und überdenke hier erstes Mal
    SCHNITTMUSTER . . Aber wie soll denn das stimmen wenn Stoffe
    einlaufen ?
    ------- B. Kann mich nicht so richtig anfreunden mit Vorwaschen
    Das müsste Aufgabe des Herstellers sein und selbstverständlich
    wird man diese Fragen überdenken . ( wie immer - WER und WO)
    Fraglicher Energie und W-Mittel Aufwand !
    GIFTE . . grundsätzlich wohl meistens vorsicht mit Billig- Produkten von irgendwo (Keine Zeit, tiefe Löhne, keine Kontrollen
    keine Geräte . .inkl. Umweltbelastungen )