In den Sozialen Netzwerken stolpert man ja zur Zeit überall über die #fashionrevolution und ich bin total begeistert, wie viele von euch auf die Frage "Who made my clothes?" mit "I made my clothes" antworten, aber damit befinden wir uns wohl in einem Mikrokosmos aus Nähbloggern, der leider bei weitem nicht die Mehrheit der Bevölkerung abbildet.
Natürlich kann ich auch sagen "I made my clothes". Wenns um Kinderklamotten geht dann sicherlich zu 90%, bei mir zu 50% und beim Mann...naja...das bleibt lieber unerwähnt :D
Aber auch wenn ich nicht alles von mir selbst nähe, kaufe ich mittlerweile kaum noch was ein und wenn, dann nur noch hochwertige Sachen, die ich dann aber auch so lange trage bis sie nicht mehr zu retten sind.
Aber um mein Konsumverhalten soll es nicht unbedingt in diesem Artikel gehen, denn ich saß auch lange Zeit auf der anderen Seite und habe als Maßschneiderin in verschiedenen Betrieben Kleidung hergestellt.
Das Schneiderhandwerk ist am aussterben und ich hatte damals ein riesen Glück so einen tollen Ausbildungsplatz zu finden.
Trotzdem ist auch das deutsche Handwerk lange nicht mehr das was man sich vorstellt und die Löhne sind gefühlt seit den 70ern nicht mehr gestiegen, weil natürlich auch die Menschen die sich etwas anfertigen lassen diese Preissteigerung nicht mitzahlen wollen. So entsteht eine Spirale aus zu günstigen Verkaufspreisen, zu wenig Lohn und damit immer weniger Schneidern.
In meinem letzten Lehrjahr habe ich unfassbare 235€ im Monat verdient (Vollzeit versteht sich) und das war tatsächlich mehr als meine Klassenkameraden in der Berufsschule (das war 2010!). Hätten meine Eltern mich nicht unterstützt und hätte ich nicht zuhause gewohnt, hätte ich mir die Ausbildung niemals leisten können.
Nun kann ich aber wenigstens sagen, eine gute Ausbildung genossen zu haben.
Leider lief das in vielen Schneidereien meiner Mitschüler ganz anders. Dort mussten die Azubis nämlich den Laden schmeißen. Das sah dann so aus, dass der Betrieb zum Beispiel aus einem Meister und 6 Azubis bestand. Der Meister machte die Schnitte und die Azubis mussten für ihren Hungerlohn alles nähen, was dann in der schicken Boutique teuer an die Kunden verkauft wurde.
Deshalb ist es auch so schwer nach der Ausbildung eine Gesellenstelle zu finden, denn die können sich die wenigsten Betriebe leisten. Mir wurde nach der Ausbildung von einem sehr renommierten Betrieb eine Vollzeitstelle angeboten bei der ich 6,50 die Stunde verdient hätte, Brutto natürlich (das war noch vor der Mindestlohnzeit).
Ich will damit garnicht das Handwerk an den Pranger stellen, denn die wenigsten zahlen mit böswilliger Absicht so wenig, es ist einfach nicht mehr drin, denn die Kunden sind schon lange nicht mehr bereit den angemessenen Preis für ein Kleidungsstück -egal ob massgefertigt oder von der Stange- zu zahlen.
Die Gesellenstelle hatte ich damals natürlich nicht angenommen, sondern stattdessen studiert. Als fertige Bekleidungstechnikerin fühlte ich mich nach dem Abschluss, als würde ich an einer Weggabelung stehen und mich entscheiden ob ich in die klassische Bekleidungsindustrie gehe und ein Teil des Problems werde, oder ob ich etwas gegen das Problem tun möchte. Für welchen Weg ich mich entschieden habe, ist glaube ich klar ;)
Kleidung ist Handarbeit, egal ob wir einen Rock für 5€ bei P****** kaufen oder in der Boutique für 500€. Auch wenn ich weiß das dran geforscht wird, aber noch gibt es keine serienreifen Roboter die ein komplettes Kleidungsstück nähen können. Es gibt zwar sogenannte Automaten, die zum Beispiel Ärmel einnähen können oder selbstständig Paspeltaschen nähen, aber auch diese müssen von Menschen bedient und eingerichtet werden.
Wer anfängt selbst zu nähen, der merkt wie viel Zeit, Konzentration und Mühe in einem Kleidungsstück steckt und wie unbegreiflich manche Preise für Bekleidung sind. Natürlich kann man auch hier streiten: wie nachhaltig das Nähen ist, wo unsere Stoffe und das Zubehör herkommen. Muss es immer der neuste Stoff sein und muss man so viel horten? Muss man 100 Dinge nähen die man dann nur ein paar mal trägt?
Ich muss gestehen, bei diesen Fragestellungen tu ich mich dann schon etwas schwerer, denn ich habe viel zu viel Stoff und wenn ich daran denke wie viel Verschnitt immer in den Müll wandert, wird mir auch ganz anders :(
Ich bin aber schon vor einiger Zeit dazu über gegangen alle paar Monate meine Stoffkisten auszusortieren und große Stück z.B. an Freunde die Interesse haben zu verschenken und kleinere Reste spende ich zum Beispiel an Kindergärten/Schulen oder Sternenkindprojekte.
Für selbstgenähte Kleidungsstücke die man nicht mehr sehen kann, haben Inga von Rabaukowitsch und ich Anfang des Jahres eine Flohmarktgruppe eröffnet, die sich großer Beliebtheit erfreut. Schaut doch auch mal vorbei.
Wie ist das bei euch? Hat das Nähen auch euer Konsumverhalten geändert? Habt ihr vielleicht auch selbst Erfahrung als Schneider/in? Ich würde mich sehr über eure Kommentare freuen.